Vom Haken zurück in's Wasser
Manchmal gibt es gute Gründe, einen gehakten Fisch wieder zurückzusetzen. Zuoberst stehen dabei Fische, die das Schonmass nicht erreicht haben oder sich gerade in der Schonzeit befinden. Doch was geschieht mit diesen Fischen, nachdem wir sie vom Haken gelöst haben?
Bei Fischen, die das Fangmindestmass nicht erreichen, sowie bei Arten, die entweder zeitlich eingeschränkt oder sogar komplett geschont sind, ist das unmittelbare Zurücksetzen Pflicht. Mit dieser Massnahme soll primär die Naturverlaichung und somit der Erhalt der Population sichergestellt werden. Das Schonmass wird in der Regel so angesetzt, dass sich schützenswerte Fische mindestens einmal in ihrem Leben fortpflanzen können und die Schonzeit die nötige Ruhe gewährt, um ihrem Laichgeschäft nachgehen und sich anschliessend davon erholen zu können.
Ob ein Fisch den Drill sowie mögliche Verletzungen durch Haken, Flucht oder Behandlung überlebt, hängt nebst der Fischart zu einem grossen Teil von Faktoren/Entscheidungen ab, die wir als Fischer treffen. Deshalb gilt es, folgenden Punkten grosses Gewicht beizumessen:
1. Den Drill möglichst kurz halten.
2. Drillinge und Einzelhaken unterscheiden sich nicht gross. Wenn immer möglich und wenn immer vom Gesetz verlangt, verzichten wir aber auf Wiederhaken, denn sie richten bedeutend mehr Schaden am Fisch an.
3. Kunstköder sind Naturködern vorzuziehen. Die Sterblichkeitsrate ist bei Naturködern (26%) um mehr als das Zweifache erhöht (Kunstköder: 11%).
4. Die Fische feumern und nicht aus dem Wasser heben. Das Skelett des Fisches ist nicht auf die Zugbelastung des im Mund verankerten Hakens ausgerichtet. Bei der Fliegenfischerei im Wasser oder bei guter Erreichbarkeit der Wasseroberfläche vom Boot bei der Hegenenfischerei kann der Fisch auch ohne Direktberührung direkt an der Fliege/Nymphe gelöst werden.
5. Dem Fisch angepasstes Material verwenden, um abgerissene Köder zu vermeiden. Möglichen Beifang einrechnen. Wer mit Spinnködern auf Barsche angelt, aber weiss, dass sich auch Hechte gerne in dem Gebiet tummeln, darf durchaus auf ein leichtes Stahlvorfach zurückgreifen.
6. Den Abhakungsprozess möglichst kurz halten. Verschluckte Haken sofort abschneiden. Die Schleimhaut nicht verletzen. Auf Photos mit lebenden Fischen verzichten.
7. Rostende Haken verwenden. Klingt im ersten Moment komisch, hat aber seine Gründe: Ein vom Fisch verschluckter Haken kann sich dank der Magensäure des Fisches mit der Zeit auflösen (siehe unten).
8. Angelplätze mit vielen untermassigen Fischen wenn immer möglich meiden.
9. Das Fischen auf kälteliebende Arten (z.B. Felchen) einschränken oder zeitweise ganz stoppen, wenn die Luft- und Wassertemperaturen sehr hoch sind.
Hier noch ein paar Antworten auf Fragen, welche ich den Autoren des Quelltextes nach dem Studium der Texte gestellt habe und uns als Fischer im Zürichsee durchaus auch interessieren könnten:
Mathias: "Ist die Farbe des Hakens mitentscheidend auf die Sterblichkeitsrates eines Fisches? Angeblich schaffen sich die normalen Haken schneller als die vergoldeten Haken raus. Eurem Bericht nach schafft der Fisch es durch seine Bewegungen? Kann das Metall des Hakens auch durch Säure vom Fisch befallen und aufgelöst werden?"
Antwort FIBER (Philip Dermond): "Entscheidend ist bei dieser spezifischen Frage meines Erachtens der gewählte Köder und das Material des Hakens. Kunstköder werden selten geschluckt und haben ein Gewicht, das am Haken zieht. Somit können sie oft mehr oder weniger leicht abgeschüttelt werden. Ich kann mich an eine Szene in Finland erinnern, wo ein Hecht im Drill zwischen zwei Steine zog und meine geflochtene Hauptschnur abriss. Während ich mich noch darüber aufregte, sprang der Hecht in ganzer Länge aus dem Wasser und schüttelte den Wobbler – wohlgemerkt 2 Drillinge mit Widerhaken, die gefasst hatten – wieder ab und ich konnte den Köder sogar feumern und nach Eindrücken der Widerhaken weiterverwenden. Ein Jighaken hat ebenfalls ein Gewicht, das als Hebel wirken kann, womöglich noch mit einem Gummifisch kombiniert, der ja ebenfalls Gewicht hat. Optimalerweise fischt man widerhakenlos, da beim Kopfschütteln Spannung auf den Haken kommt und dann wieder nachlässt, so dass ein Haken ohne Widerhaken oft rausgleiten kann. Gefährlicher sind Naturköder. Wenn ich einen Wurm oder Köderfisch abreisse, bleibt dieser „scharf“. Ein Fisch kann immernoch vorbeischwimmen und ihn auflesen, oder er kann ihn bei einem Abriss im Drill schlucken anstatt ihn wie ein Stück Metall oder Plastik wieder auszuspucken. Es gibt Fischarten, die zu einem nicht zu vernachlässigenden Prozentsatz Haken im Magen haben, die wahrscheinlich von abgerissenen Ködern stammen, die sie aufgesammelt haben. Bei einer Störart in Kanada sind es 15 % (!) aller Fische, die mit Haken im Magen herumschwimmen – grösstenteils von Lachsködern, die abgerissen und dann am Boden eingesammelt wurden. In diesen Fällen kommt tatsächlich die Erklärung der älteren Fischer ins Spiel. Die Magensäure kann den Haken schneller rosten lassen, so dass er verformt und ausgeschieden werden kann. Dies kann auch funktionieren, wenn man einen tief geschluckten Haken so kurz wie möglich abschneidet und den untermassigen oder geschonten Fisch wieder schwimmen lässt. Von den älteren Fischern kommt wahrscheinlich auch der Goldhaken – früher wurde tatsächlich (selten) Gold oder eher Messing verwendet, um Haken rostfrei zu machen. Solche Haken rosten dann nicht und können folglich nicht vom Fisch ausgeschieden werden, was über Zeit zum Tod des Fisches führen kann. Speziell mit Naturködern sind also rostende Haken zu empfehlen. Diese gibt es aber heutzutage in allen möglichen Farben, auch Gold. Das einfärben von Haken dient aber ebenfalls dem Rostschutz, ist aber nicht ganz so effektiv wie die Verwendung von Edelstahl oder anderen Legierungen, heisst diese Haken rosten mit der Zeit auch, es dauert einfach länger. Am besten sind also ungefärbte, rostende Haken, welche dem Fisch die beste Chance geben. Allerdings müssen die sorgfältig und trocken gelagert werden, ansonsten rosten sie schon in der Köderbox weg."
Text, Zitate und Informationen in teils leicht abgeänderter Form von Philip Dermond & Corinne Schmid (FIBER)
Mehr/ausführlicheres zu diesem Thema:
FIBER-Newsletter 4/2018 (ungekürzte Version / ganzer Newsletter)
FIBER-Beitrag für die Petri-Heil-Zeitschrift (gekürzte Version)